Corona-Pandemie: Langzeitpflege während der Corona-Pandemie - Ergebnisse einer Online-Befragung der Universität Bremen

Pflegeheime sind ebenso wie Pflegedienste von COVID-19-Fällen sowohl bei Mitarbeitenden als auch bei den Pflegebedürftigen im hohen Maße betroffen. Neben der Situation in Pflegeheimen sollte auch ambulanten Pflegediensten eine erhöhte Aufmerksamkeit im Pandemiegeschehen zukommen.

Die Universität Bremen hat einer deutschlandweiten Online-Befragung von Ende April bis Mitte Mai Daten von über 1.500 Pflegediensten, teilstationären und stationären Einrichtungen zu Strukturmerkmalen, zum Vorkommen des SARS-CoV-2-Virus in Einrichtungen, Auswirkungen der Pandemie, z.B. in Bezug auf personelle und sachliche Ausstattung aber auch zu veränderten Arbeitsprozessen und Kommunikationsstrukturen ausgewertet.

Ziel der Studie ist die Schaffung einer validen Datenbasis zur Betroffenheit der Einrichtungen von der Pandemie, zum Umgang der Pflegeheime mit der Situation und zu den Unterstützungsbedarfen der Einrichtungen, um den beteiligten Akteuren und der Politik zu ermöglichen, auf aktuelle Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe von Pflegeeinrichtungen aufgrund der Pandemie organisatorisch und administrativ zu reagieren.

Die Ergebnisse der Studie sollen dazu beitragen, die besondere Situation von Pflegeeinrichtungen während der Pandemie besser zu verstehen und die Vorbereitung auf eine mögliche zweite Welle der Pandemie zu unterstützen.

Die Ergebnisse im Überblick:

  • Pflegeheime sind ebenso wie Pflegedienste von COVID-19-Fällen sowohl bei Mitarbeitenden als auch bei Pflegebedürftigen im hohen Maße betroffen: Die hochgerechneten Befragungsdaten zeigen, dass mehr als 60 % aller Todesfälle bundesweit auf Bewohner*innen von Pflegeheimen (49 %) oder auf Klient*innen ambulanter Pflegedienste (12 %) entfallen, wobei ihr Anteil an allen infizierten Personen nur insgesamt 8,5 % (7,0 % plus 1,5 %) beträgt. Pflegeheime sind damit der wichtigste Ort in Bezug auf mit COVID-19 Verstorbenen. Hierbei zeigen sich große Unterschiede: knapp 80% der Heime haben keine bestätigten COVID-19 Fälle. Die direkte Betroffenheit konzentriert sich auf wenige Einrichtungen, die dann aber stark betroffen sind.
  • Fast jedes fünfte Pflegeheim und jeder zehnte ambulante Pflegedienst ist von Erkrankungsfällen bei Mitarbeitenden betroffen, der Anteil der Erkrankten ist unter den Mitarbeiter*innen in Pflegeheimen sechsmal so hoch und unter den Mitarbeiter*innen in ambulanten Pflegediensten doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung, Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen haben somit ein hohes Infektionsrisiko.
  • Testergebnisse für Klient*innen wie Mitarbeitende liegen erst spät (durchschnittlich nach drei bzw. vier Tagen für Pflegeheime bzw. ambulante Pflegedienste) vor. Daraus ergeben sich große Infektionsrisiken. Eine Folgerung aus den vorliegenden Ergebnissen ist daher, dass Reihentests für Pflegedienste (z. B. als gepoolte Tests) als Standard verankert werden und die Ergebnisse schneller übermittelt werden, um Infektionsherde früh zu erkennen.
  • Von einem Corona-bedingten Personalausfall von bis zu 10 % berichtet etwa die Hälfte aller Pflegedienste und mehr als zwei Drittel aller Pflegeheime. Materialengpässe in Bezug auf persönliche Schutzausrüstungen für Mitarbeitende oder Flächendesinfektionsmittel waren ursprünglich sehr groß. Inzwischen hat sich die Lage etwas entspannt, allerdings klagt immer noch jeder vierte Pflegedienst und jedes sechste Pflegeheim über zu wenig Schutzausrüstung. Ausreichende Schutzausrüstung für alle Einrichtungen und Dienste muss daher sichergestellt und refinanziert werden.
  • Um eine Ausbreitung der Infektion zu begrenzen, haben Pflegeheime drastische Kontaktsperren für Besucher, Ehrenamtliche aber teilweise auch Ärzt*innen, Therapeut*innen, Fußpflege etc. eingesetzt, die nunmehr nach und nach wieder aufgehoben werden, um negative Folgen der Isolation für die Bewohnerinnen und Bewohner zu vermeiden. Eine von einem Teil der Einrichtungen bereits ergriffene, aber noch ausbaufähige Maßnahme ist die Förderung digitaler Kommunikation insbesondere zwischen Heimbewohner*innen und deren An- und Zugehörigen.
  • Neben der Situation in Pflegeheimen sollte auch ambulanten Pflegediensten in der vorliegenden Pandemie – und auch mit Blick auf eine mögliche zweite Welle – eine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen. Hat sich der Blick von Politik und Öffentlichkeit zunächst vornehmlich auf Kapazitäten einer klinischen und intensivmedizinischen Versorgung gerichtet und dann auf Pflegeheime, so blieben Pflegedienste zunächst unbeachtet. Allerdings berichtet knapp die Hälfte aller Dienste, dass die Versorgung von bislang versorgten Pflegebedürftigen gefährdet/instabil oder sogar nicht sichergestellt ist, da ambulante Sachleistungen nicht mehr in Anspruch genommen werden und teilstationäre Angebote ebenso wie in den Haushalten lebende Betreuungskräfte (Live-Ins) nicht mehr bzw. nicht mehr im gewohnten Umfang zur Verfügung stehen
  • Neben den kurzfristigen Problemlagen einer prekären Versorgung im ambulanten Bereich und dem Problem der sozialen Isolation in Heimen stehen mittelfristig beide Settings vor dem Problem, eine qualitativ hochwertige Versorgung bei zunehmenden Versorgungsaufwänden (u. a. durch Hygieneanforderungen) und gleichzeitigem Personalausfall, der auf eine auch zuvor schon prekäre Personalsituation trifft, sicherzustellen. Als Lösungsansätze zur Überwindung der Krise fordern die befragten Pflegeeinrichtungen – neben der ausreichenden Bereitstellung von Schutz- und Desinfektionsmitteln sowie der systematischen und regelmäßigen Testung von Pflegebedürftigen und Mitarbeitenden – bundesweite und praktikable Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Pandemiesituationen sowie eine bessere Vergütung der Pflegekräfte und eine bessere Personalausstattung.

 

Weitere Informationen: https://www.uni-bremen.de/fb11/corona-update-fb11/zur-situation-der-langzeitpflege-in-deutschland-waehrend-der-corona-pandemie

 

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Downloads für Mitglieder:

Ergebnisbericht Coronabefragung Uni Bremen

 

Kategorie: Corona-Pandemie / SARS-Covid-19
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