Am 10. November 2019 haben sich die Koalitionspartner auf Bundesebene nach lang anhaltenden Kontroversen auf die Einführung einer Grundrente ab 2021 sowie weitere Maßnahmen geeinigt. Der Paritätische Gesamtverband informiert über die Koalitionseinigung zur Einführung einer "Grundrente": Anliegend erhalten Sie die Beschlüsse der Regierungskoalition zur Grundrente und damit verbundenen sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen, die nachfolgend zusammengefasst und bewertet werden:
Rentnerinnen und Rentner, die über 35 Beitragsjahre in der Rentenversicherung verfügen und dabei im Schnitt nur zwischen 30 und 80 Prozent des durchschnittlichen Einkommens erworben haben, erhalten einen Zuschlag, soweit ihr Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Ihr Anspruch wird verdoppelt, bis auf maximal 0,8 Entgeltpunkte, dem Gegenwert von Beiträgen aus einem sozialversicherungspflichtigen Einkommen in Höhe von 80 Prozent des Durchschnitts. Dass Menschen, die weniger als 30 Prozent des Durchschnittseinkommens erhielten, nicht profitieren, dient dazu, geringfügige Beschäftigung nicht zusätzlich zu honorieren. Für die Grundrente sollen "Beitragsjahre" zählen. Das sind Zeiten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, Zeiten für Kindererziehung von bis zu 10 Jahren pro Kind, Zeiten der nicht gewerbsmässigen Pflege, Zeiten des Arbeitslosengeld I Bezugs und Zeiten, in denen Kurzarbeiter-, Schlechtwetter- oder Insolvenzgeld floss.
Auch wer einen Grundrentenzuschlag bekommt, wird wegen der Deckelung des Zuschlages allenfalls eine Rente knapp über der Grundsicherungsschwelle erhalten. Die Koalition hat sich deshalb auf zusätzliche Freibeträge in der Grundsicherung und beim Wohngeld geeinigt, so dass sowohl Grundsicherungsberechtigte als auch knapp darüber liegende Menschen spürbar mehr als den bisherigen Grundsicherungsbetrag haben und der Zuschlag nicht durch Kürzungen beim Wohngeld oder eine Anrechnung in der Grundsicherung aufgehoben wird. Der Freibetrag in der Grundsicherung setzt voraus, dass die Berechtigten über 35 Beitragsjahre verfügen. Das gelingt etwa 130.000 Menschen, etwa 25 Prozent. Die Freibeträge werden zusätzlich und analog zu den bestehenden Freibeträgen für private und betriebliche Vorsorge gezahlt. Sie betrag 100 Euro zzgl. 30 Prozent der darüber hinausgehenden Ansprüche und sind dabei auf je 212 Euro gedeckelt. Diese Einigung schafft ein Mehrklassensystem in der Grundsicherung:
Der Paritätische kritisiert dieses Mehrklassensystem, da es Grundsicherungsberechtigte erster, zweiter und dritter Klasse schafft. Er fordert stattdessen die Einführung eines einheitlichen Freibetrages für alle Grundsicherungsberechtigten, denn auch Menschen mit weniger als 35 Beitragsjahren haben eine Anerkennung ihrer Leistungen verdient. Durch den schon jetzt bestehenden Freibetrag für private und betriebliche Vorsorge wird diese Vorsorgeform privilegiert und ein Anreiz geschaffen, Einkommen in dieser häufig unrentablen privaten Vorsorge anzulegen. Das schwächt die gesetzliche Rentenversicherung. Der Paritätische fordert deshalb einen einheitlichen Freibetrag für die Alterssicherung.
Bereits zum Jahresanfang 2019 sind die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 3 auf 2,5 Prozent des Bruttoverdienstes gesenkt worden. Bis 2022 soll er nun bei 2,4 Prozent festgeschrieben werden. Das entspricht einer Entlastung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Höhe von 1,2 Milliarden Euro/Jahr. Der Paritätische sieht diese Beitragssenkung kritisch, da damit notwendige Investitionsmittel in der Arbeitslosenversicherung verringert werden.
Bislang waren die Beziehenden der genannten Leistungen vollständig zur Gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtig, was zu erheblichen Protesten bei den Betroffenen geführt hat. Etwa ein Drittel aller Beschwerdebriefe von Betroffenen, die hier eingehen, bezieht sich auf diese aufgrund der behaupteten "Doppelverbeitragung" (Beiträge auf das Erwerbseinkommen und mögliche Beiträge auf Vorsorge, die aus dem Erwerbseinkommen entrichtet wurde). Während der Versicherungsbeitrag bei gesetzlichen Renten jeweils zur Hälfte von der Rentenversicherung und den Versicherten getragen, während die Beiträge auf Betriebsrenten und Kapitalauszahlungen vollständig von den Berechtigten gezahlt werden mussten, soweit die Ansprüche die Freigrenze von 155,75 Euro überstiegen. Nur wer darunter lag, war beitragsfrei. Diese Grenze wird nun in einen dynamischen Freibetrag umgewandelt, d.h. alle Beziehenden profitieren künftig. Die Kosten von 1,2 Milliarden Euro sollen vorwiegend aus der Liquiditätsreserve der Krankenversicherung entnommen werden: die Gemeinschaft der Beitragszahlenden trägt damit die Kosten der Entlastung der häufig einkommensstarken Beziehenden zusätzlicher Einkommen.
Nachrichtlich Pressemeldung vom 11.11.2019
Als einen intelligenten Kompromiss begrüßt der Paritätische Wohlfahrtsverband die Einigung der Großen Koalition auf ein Grundrenten-Modell. Er mahnt an, die nach langem Ringen gefundene Lösung nun zügig umzusetzen, fordert jedoch zugleich Verbesserungen für den Kreis der Grundsicherungsbeziehenden. Ausführliche Analyse des Paritätischen: Die Grundrente: ein Meilenstein auf einem langen Weg: https://www.der-paritaetische.de/index.php?id=1496&tx_t3extblog_blogsystem[post]=28&tx_t3extblog_blogsystem[day]=12&tx_t3extblog_blogsystem[month]=11&tx_t3extblog_blogsystem[year]=2019&tx_t3extblog_blogsystem[action]=show&cHash=68e3f3109a46d284a2eef504bdf969e3
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